Andreas Hämer
gegenstimmen
psalmen, befreiungstheologisch
mit einem Geleitwort von Clemens Ronnefeldt
Paulo Freire Verlag
978-3-86585-052-2 (ISBN)
erschienen im Mai 2018
Gegenstimmen sind die meisten Psalmen von Haus aus, Stimmen einer Minderheit, die oft erst später oder gar nachträglich zu ihrem Recht kam – falls überhaupt.
Als Gegenstimmen verstehen sich die Texte dieses Büchleins – Gegenstimmen zum Getöse der breiten Mehrheit, Gegenstimmen zum Unisono der Hoffnungslosigkeit; Gegenstimmen auch zur liturgischen Verwendung der Psalmen, die die vermeintlich heiligen Texte einfach nur nachbetet.
Eine überraschend neue und befreiende Lektüre der alten Psalmen ergibt sich im globalen Horizont von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Dabei melden sich gender-kritische Akzente und radikal-pazifistische Orientierung immer wieder zu Wort.
150 Psalmen lassen verschiedenste Verwendungen offen – meditative Lektüre, der Reihe nach; selektives Entdeckungs-Lesen; zielgerichtetes Suchen einzelner Texte … Nachdenkliche wie provokative Elemente gehören zusammen, oder, wie es in Taizé einmal hieß: Kampf und Kontemplation.
aus dem Geleitwort von Clemens Ronnefeldt:
Mit dem vorliegenden Buch ist Andreas Hämer etwas Außergewöhnliches und Kostbares gelungen: Er hat alle 150 Psalmen in die heutige Realität übertragen und die alttestamentlichen Psalmen aus befreiungstheologischer Sicht neu interpretiert.
Die „Option für Armen“, die tiefe befreiungstheologische Überzeugung, dass Gott die Armen, Ausgegrenzten, Geflüchteten und Geschundenen ganz besonders liebt und die Befreiung dieser Menschen aus Armut und Ungerechtigkeit nicht erst im Jenseits, sondern im Hier und Heute möchte, ist jedem einzelnen Psalm anzumerken.
Dass der Autor als promovierter Theologe nicht akademisch vom Schreibtisch aus geschrieben, sondern die Texte persönlich-existenziell selbst durchlebt und dadurch erst ins vorliegende Wort gebracht hat, erfährt man spätestens, wenn man zum Glossar und Nachwort kommt, wo er seine Inspirationen für die Neufassungen offenbart.
Die „Gegenstimmen“ unterdrückter Minderheiten, denen Andreas Hämer mit seinen Neufassungen Gehör verschaffen möchte, haben Kraft, führen aus der Enge individualistischer Frömmelei heraus und zeigen, wie not-wendend die Botschaft vom „Reich Gottes“, von Gerechtigkeit und Frieden, gerade heutzutage ist, wo der Mammon vielerorts als Götze verehrt wird.
Die vorliegenden neuen Psalmen liest mit noch größerem Gewinn, wer sich von ihrer intensiven Sprache einladen lässt, den Blick von unten zu wagen – und sich solidarisch zu den Lieblingen Gottes, den unter den Brücke Schlafenden, den unschuldig in Gefängnissen Sitzenden, den um der Gerechtigkeit willen Verfolgten oder den Geflüchteten aus Kriegen und Not begibt, deren Leben teilt – und mit ihnen gemeinsam Schritte der Befreiung geht.
Wer die Hoffnung gegen alle Hoffnung nicht aufgegeben hat, findet in diesem Buch von Seite zu Seite neue Ermutigung.
Leseproben:
ein aktuelles zionslied (ps.48)
groß ist die liebe und hoch zu rühmen
in der stadt unsres gottes,
auf ihrem heiligen berge.
schön ragt empor der berg zion,
der tempelberg – gerade darum
streitobjekt von drei seiten.
gott ist in dieser stadt zerteilt,
zerrissen wie die stadt selbst.
kämen doch alle drei seiten überein,
nicht mehr gegeneinander
um den besitz der wahrheit zu streiten,
sondern miteinander zu beten
und für recht und gerechtigkeit einzustehen!
der berg zion würde sich freuen,
menschen auf der ganzen welt
könnten gottes kraft erfahren.
mauern und paläste wären antiquiert.
die ganze welt würde sagen:
siehe, die hütte gottes bei den menschen.
klagegebet einer jungen frau aus bulgarien,
die menschenhändlern in die hände fiel (ps.102)
gott, höre mein gebet,
lass mein schreien zu dir kommen!
wende deinen blick nicht von mir ab!
ich bin menschenhändlern in die hände gefallen,
sie haben mich zur sexarbeiterin gemacht.
mein leben ist vergangen wie ein rauch,
mein junger körper ist verbrannt wie von feuer.
mein herz flattert in flachen schlägen,
ich vergesse, mein brot zu essen.
ich mische meinen trank mit tränen.
ich wache und klage
wie ein einsamer vogel auf dem dache.
wenn ich nach meinen papieren frage,
schlagen sie mich und lachen mich aus.
von meinem leben ist nur ein schatten übrig.
du aber bleibst, auch in zukunft.
und vielen geht es wie mir – gott,
mach doch der großen not ein ende –
in bulgarien und überall auf der welt, so dass
keine frau mehr sich selbst verkaufen muss.
gott wendet sich zum gebet der verlassenen,
das bleibt meine hoffnung.
gott hört das seufzen der gefangenen
und macht los die kinder des todes.
vision über den dächern von jaffa (ps.126)
wenn allah
die gefangenen zions befreien wird,
dann werden wir sein wie die träumenden.
dann werden juden, muslime und christen
einander grüßen: allahu akbar –
gott hat großes getan.
sie werden sich gegenseitig beglückwünschen
und werden miteinander tanzen.
o gott, bring zurück unsre gefangenen, wie
du wiederbringst die wasserbäche im negev –
alle – ob sie steine warfen
oder facebook-botschaften verbreiteten,
verurteilt auf unbestimmte zeit
und bis zu 900 jahren.
die mit tränen säen,
werden mit freuden ernten.
die zu 15 eine zelle teilten,
werden zu hunderten feiern in freiheit.
sie gingen hin und streuten ihren samen,
jahrzehnte ihres jungen lebens,
und kommen und bringen früchte des friedens.
als flögen wir davon. 101 gedichte
Edition epubli
Erste Auflage 2018
ISBN: 978-3-746717-52-4
Nach seinen drei Gedichtsammlungen („es perlen die tage“, „du, amsel, schrei dein lied“ und „mauersprünge, spechtgelächter“) legt A. Hämer eine vierte Sammlung vor. „Umdichtungen von Kirchenliedern und Gebeten finden sich da, die Lust zum Widerstand machen. Kapitalismuskritisches und Fassungslosigkeit über die Art und Weise, wie wir mit der Schöpfung umgehen. Da ist jemand, der sich noch berühren lässt von den vielen beunruhigenden Nachrichten und Entwicklungen in der Welt. Immer wieder finden sich auch verschmitzte kleine Naturbeobachtungen unter seinen Texten wie Lichttupfer. Und ob er über leere Zigarettenschachteln am Wegrand schreibt, über eine alte graue Weide am Bach oder den Besuch Obamas in Hiroshima: So biiter-gallig viele seiner Texte daher kommen, so viel Zärtlichkeit und Freude am Spiel mit der Sprache sind auch in ihnen zu spüren.“ (Mirjam Mahler, Internationaler Versöhnungsbund)
(erschienen am 31.3.2016)
du, amsel, schrei dein lied. 111 gedichte
Edition epubli
1. Auflage 2016
ISBN 978-3-7375-9698-5
Eine bunte Sammlung nachdenklicher, politischer, satirischer und religiöser Texte. Bäume, Vögel und Tageszeiten senden Botschaften aus. Advent meldet sich über das ganze Jahr zu Wort. Das Reisegepäck ist voller Fragen. Die Ungereimtheiten morgendlicher Nachrichten werden auf den Punkt gebracht. Bei „Kirchens“ wird entmieft, alte Lieder werden umgedichtet und Heiligenbilder erzählt – allerdings nie ohne Flecken. Fragen von Leben und Abschied, Sein und Nichts spielen überall hinein.
Die Grafiken von Dietmar Fiessel wollen nicht illustrieren, sondern eigene Impulse zu den Texten vermitteln. (Klappentext)
Rezension von Dr. Matthias-W. Engelke in Versöhnung 2 /2016 (Rundbrief des Internationalen Versöhnungsbundes/Deutscher Zweig, S.23:
Lyrik liegt nicht jedem oder jeder. Die schmalen Auflagen in diesem Genre belegen das.
Selten, dass ein Gedichtband in breiteren Kreisen bekannt wird. Die Feuilletons verschiedener Zeitungen bemühen sich redlich darum, in dem sie immer mal wieder ein Gedicht zeitgenössischer Autoren publizieren.
Hier ist ein Gedichtband anzuzeigen, dessen Entstehen ich miterleben durfte.
Andreas Hämer schickte mir vor vielen Jahren per Mail ein Poem, dessen Kraft und Kürze mich beeindruckte. Immer mal wieder flatterten diese lyrischen Grüße in meinen Briefkasten. Manche ermutigen. Andere machen rätseln. Wieder andere verleiten zum Schmunzeln. Ich treffe auf Wendungen, die mich nicht gerade ansprechen,
sie klingen zu glatt, zu gewohnt. Andere machen stutzig, vor allem die Gedichte,
die es mit der Sprache ganz persönlich nehmen:
unversöhnlich
macht fragt
was ist wahrheit
sie fragt nicht
nach wahrheit
sondern stellt
wahrheit in frage
wahrheit fragt
was ist macht
sie fragt nicht
nach macht
sondern stellt
macht in frage
und wunderbar wird’s wenn beim Lesen sich unvermittelt die Erkenntnis einstellt,
dass sich da was gereimt hat. Die Umwandlungen bekannter Kirchenlieder
versetzen in die Lage wahrzunehmen, was sich noch alles bei „Kirchens“ und Politik
ändern muss – und kann.
Eine eigene Gattung sind die „Reiesebilder“. Sie fassen – so hat es den Eindruck –
spontane Eindrücke in Worte, die wiedergeben, welch unterschiedliche, ja widersprüchlichen Geflechte, die nicht immer an der Oberfläche liegen,
sich vor Ort befinden. Es werden Ambivalenzen deutlich, die mit Gegenden verbunden sind, wenn man – wie es der Autor mehrfach getan hat – Israel und Palästina besucht.
Aber auch an anderen Stellen werden untergründige Spannungen offengelegt,
es fallen Namen wie Córdoba, Dresden oder Vliehors, Teil einer westfriesischen Insel
mit einem Truppenübungsplatz direkt angrenzend an ein Naturschutzgebiet.
Wozu lädt dieser Band mit 111 Gedichten ein? Zum Blättern und Weiterlesen.
Herzlichen Glückwunsch! Nicht zuletzt auch auf Grund der Grafiken von Dietmar Fiessel,
die den Gedichten mit Leichtigkeit und Tiefgang gegenüber eigene Akzente setzen. Matthias-W. Engelke
mauersprünge, spechtgelächter. 99 gedichte
mit fotos von dorothea hämer
epubli – 1. Auflage 2016
ISBN 978-3-7418-2374-9; 16,99 €
Nach seinen 111 Gedichten: „du, amsel, schrei dein lied“ legt A. Hämer eine weitere Sammlung nachdenklicher, politischer, satirischer und religiöser Texte vor. Naturerleben und Selbsterfahrung spielen ineinander; politische und religiöse Dogmen werden hinterfragt; Reiseeindrücke erhalten ungewöhnliche Akzente; Sein und Nichtsein ist im Hintergrund immer präsent. Die Fotos von Dorothea Hämer nehmen manche Impulse auf und geben ihnen mitunter eigene Perspektiven. (Klappentext)