meine wichtigsten Veröffentlichungen

reha

AndreasHämer, Rehabilitation von unten. Der Platz der Körperbehinderten im Aufgabenfeld der Kirche. Mit einem Geleitwort v. T. Strohm. München: Kaiser; Mainz: Matthias-Crünewald-Verlag, 1978

Rezension von Werner Vogel
Das Buch ist eine überarbeitete Magisterschrift, die von der Kirchlichen Hochschule in Berlin (West) angenommen wurde. Der Vf. arbeitete als Zivildienstleistender in einer mit „Haus Bergheim“ bezeichneten diakonischen Einrichtung, einem Wohnheim für 44 körperlich schwerstbehinderte Männer im Alter zwischen 18 und 74 Jahren. Er gewann dabei Körperbehinderte zu Freunden, mit denen er ihre Problematik erörterte und nach besseren Lösungen suchte. Gezielte Besuche in ähnlich gelager­ten Heimen des Diakonischen Werkes rundeten die empfange­nen Eindrücke ab. Hämer wird zum beredten Anwalt der Körperbehinderten.
Dass hier ein Nichtfachmann das Wort nimmt zu den Fragen der Rehabilitation und im weiteren zur gegenwärtigen diakonischen Praxis, hat sein Gutes. Er ist gefeit gegen die Gefahr der Betriebsblindheit, die den Experten immer droht. Sein Enagement für die Behinderten lässt ihn kritische Anfragen stehen, die zum Nachdenken nötigen. Er erweist sich als Theologe, indem er den Teilaspekt der Rehabilitation einzubinden sucht in die theologischen Erwägungen zur Praxis der Kirche, überwiegend im Anschluss an Bonhoeffersche Gedanken.
Der befremdliche Titel „Rehabilitation von unten“ sagt im Grunde schon aus, worum es dem Vf. geht. Rehabilitation dürfe nicht eine Veranstaltung der Kirche und ihrer Diakonie für die Behinderten sein, wobei die Patienten als Objekte der Liebe erscheinen; vielmehr mühten die Behinderten selbst aktiv beteiligt sein in der Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse. Der V£. nennt dies eine Utopie, aber eben eine, die sich nicht im untätigen Warten verflüchtigt, sondern in konkreten Schritten der Selbsthilfe angegangen wird.
„Ihre (der Körperbehinderten) utopische Sicht der Rehabilitation besteht … darin, dass für sie das Problem Körperbehinderter erst dann gelöst ist,
1. wenn die Randstellung der Körperbehinderten insgesamt aufhört;
2. wenn Körperbehinderte als Gruppe mehr und mehr die Verantwortung und die Kontrolle der Rehabilitation in die eigene Hand nehmen;
wenn Rehabilitation sich darin erfüllt, dass Körperbehinderten ein eigener Beitrag zum Leben der Gemeinschaft, d. h. zur Gestaltung der Gesellschaft zugestanden wird.“ (86)
Zwei „Menschenrechte“ werden immer wieder betont: Das Recht, gehört zu werden, und das Recht, erwachsen zu werden. Zu beiden hagelt es kritische Anfragen an diakonische Einrichtungen. Wird über die Behinderten verfügt, oder haben sie die Möglichkeit, über Art und Zuschnitt ihres Lebens selbst zu befinden? Behinderte mühten nicht nur im Heimrat vertreten sein, sondern ein Recht der Mitbestimmung haben, selbst bei Entlassung oder Einstellung von Personal, bei Planungen, Investitionen usw.
Das Recht, erwachsen zu werden, ist gleichermaßen bedroht von der übergroßen Behütung und Abschirmung in der Familie, wie von dem Betreuungsschema in der Heimsituation. Hier werden sehr stark auch die Fragen der Sexualität und der erotischen Beziehungen angesprochen. Hospitalisierung müsse nur als letzter Ausweg angesehen werden. Als erstrebenswert gelten Wohngemeinschaften, möglichst von Behinderten und Nichtbehinderten gemeinsam. Dazu ist dann auch ein neues Verständnis von Gemeinde nötig – nicht Gemeinde, wo u. a. auch etwas für Behinderte getan wird, sondern Gemeinde von und mit Behinderten.
Der Vf. hat nur einen Teilaspekt von Behinderung im Auge:
den Körperbehinderten mit voller intellektueller Wachheit. Hier kann ihm ohne Einschränkung zugestimmt werden. Die Behindertenarbeit der Kirche in der DDR hat es aber in viel größerem Umfang mit Menschen zu tun, die geistig behindert sind oder körperlich und geistig behindert. Und für diesen Personenkreis ist trotz Anerkennung der grundsätzlichen Position Hämers ein weit größeres Maß an Für-Sorge nötig und legitim.

Werner Vogel, in: Theol. Literaturzeitung 1979, Nr.11

AndreasHämer, unruhe um gottes willen. zwölfeinhalb bruchstücke einer theologie von unten; Verlag Breitseite, Essen ; 1987

unruhe

Prof. Dr Jürgen Moltmann zu diesem Buch:
„Heute habe ich in Ihrem erstaunlichen Manuskript gelesen und mich an vielen Stellen festgelesen. Ich finde es gut. was Sie da machen, und ich hin beeindruckt von diesem neuen theologischen Stil an der Basis. Dies ist ein mutiges und ganz ehrliches Buch. Es ist aus der Gemeindearbeit entstanden und ist für Gemeindearbeit geschrieben. Die Gemeindegruppen haben an diesem Buch selbst mitgeschrieben, Ihre Fragen und Antworten sind In den Text eingeflossen. Ihre Zweifel und Reaktionen werden ernstgenommen- Es wird in diesem Buch viel erzählt, gut erzähl. Biblische Geschichten und Lebengeschichten verschmelzen und ergeben einen neuen Typ von Gemeindetheologie. Das Buch regt an, die Kräfte des Geistes Jesu unten zu entdecken, wo Menschen leben, leiden und Liebe suchen.“

 

aufregungen

Hämer, Andreas, Aufregungen um Jesus. Kritische Entwürfe für Kindergarten und Gemeinde; Verlag Blaue Eule; Essen 1990

Rezension von Prof. Dr. Klaus Wegenast:
Der Autor war mir, bevor ich das hier anzuzeigende Büchlein las, als ein Theologe bekannt, der für mich einleuchtende zur Seelsorge an körperlich Behinderten anstellte und die Lehre von der Rechtfertigung buchstabierte, die gesellschaftlich als rückständig gelten. Und nun dieses Buch!
Schon jetzt möchte ich das vorliegend Opus als „Wurf“ bezeichnen, voll Kreativität, Einfühlungsvermögen, Erzählideen, Fähigkeit, Altes neu zu sagen, mit der Wirklichkeit zu verknüpfen, zu aktualisieren, nachdenklich zu machen, aufzuregen … Ein wahrer Gegenentwurf gegen christliche Langeweile ebenso wie gegen unsere bildertötende Fernsehwelt und auch gegen begriffsgesättigte Sprachspiele akademischer Theologie, die leider von so vielen Kanzeln redetund soch selbst als Kommunikationsangebot verhindert.
Der Autor macht sein in der Einleitung vorgebrachtes Programm wahr:
„Gute Geschichten sind wie Bilder … Bilder, die uns nieman d vorgesetzt hat, die uns nicht festlegen …
Bilder, die in uns entstehen, in uns lebendig werden, die unterwegs sind mit uns; Bilder die in uns leben und mit denen wir leben.
Wer Geschichten erzählt, sieht Bilder, weckt Bilder und nimmt andere mit auf den Weg., lässt ihnen die Freiheit, ihren Weg zu gehen, ihre eigenen Bilder zu entdecken … Wer Geschichten erzählt, nimmt sich Zeit, schenkt Zeit, gestaltet Zeit, lässt Zeit wirken …“.
Und das alles, um ein Stück weit Leben und Glauben und Denken als Weg verstehbar zu machen.
Und das alles, um ein Stück weit Leben und Glauben und Denken als Weg ver­stehbar zu machen. Besonders interes­sant erscheint mir, dass die Erzählvor­schläge, narrativen Predigten, Ge­sprächsentwürfe, Sprechmotetten nicht Schreibtischentwürfe eines einzelnen sind, sondern Ergebnis von Prozessen im Kreis von Gemeinde-Mitarbeiterinnen. Aus Vorentwürfen wurden Geschichten einer Gemeinschaft für eine Gemein­schaft.
Und dann: „Fertig ist keine der Ge­schichten. Es bleiben Entwürfe. Wir selbst werden die Geschichten zu ande­rer Zeit anders erzählen, und wir emp­fehlen für jede Weiterverwendung Ver­änderungen. Unsere Texte haben ihre ei­gene Geschichte, ihren Weg.“ (S. 10)
In vier Kapiteln führt uns das Buch durch die Bibel und in eine Auseinander­setzung mit uns selbst, unserer Welt und den Erfahrungen von Juden und Chri­sten aus längst vergangener Zeit. Zuerst sind es »Traditionen, in denen Jesus leb­te“, die erzählt, aktualisiert, mit dem Le­ben von Kindern als Angebot zur Identi­fikation verknüpft und als Anstoß zum Nachdenken präsentiert werden. Die Passah-Geschichte, Die Vision des Mi-cha, daß Schwerter zu Pflugscharen wer­den, die Erzählung von Kain und Abel und andere.
Neben dialogischen Strukturen zwi­schen Vater und Kind (Passah) stehen Er-zählentwürfe, die Informationen über ein Damals, heutige Erfahrungen und die Botschaft der Bibel gekonnt integrie­ren sowie in rheinischer Mundart verfaß-te Gesprächsverläufe. „Wegbeschreibun­gen“ zeigen dem Leser, wie die einzelnen Entwürfe entstanden sind, wie sie didak­tisch gemeint werden und welche exege­tische Erkenntnisse für die Verfasser eine Rolle spielten. Wichtig dabei, dass Hämer den „Sitz im Leben“ der Gemeinde angibt, Ort für die Ideen und die erste Form der Verwirklichung einer Erzählung. „Unveräußerliche Kennzeichen Jesu“ überschreibt Hämer sein zweites Kapitel, das gewichtigste. Es geht da um Feindes­liebe, um das Verhältnis Jesu zu Frauen und zu einer Ausländerin, um Freund­schaft mit einem seiner Schüler, um sei­ne Verhaftung, um seine Fähigkeit, zu fragen und nicht das Selbstverständliche und angeblich schon immer so Seiende zu akzeptieren, und um seine Art, mit Kindern und Behinderten ein Fest auf Vorschuss zu feiern. .
Jeder „Entwurf“ beachtet andere Er­zählstrategien und auch einen je eige­nen Stil. Immer ist in der Erzählung von damals das Heute ganz nah:
„Jesus heilt Behinderte. Ein Bein, das fehlt, lässt er nicht nachwachsen. Aber er sagt zum Beispiel nicht: Du bist behindert! – sondern: Komm, wir wollen es miteinander wagen.“
Und: „Die Geschichte Jesu geht weiter“: Emmaus, Pfingsten, Jesus sucht Mitar­beiterinnen im Saarland, Ostern der Kinder, oder: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern:
„Wie heißt du?“ – fragte Jesus. „Jonathan“ – antwortete das Kind. „Weißt du“, erklärte Jesus dem Mann, (der das „ver­wahrloste Kind“ gerade weggeschubst hatte) „Jonathan – das heißt: ,Von Gott geschenkt‘. Dieses Kind ist von Gott ge­schenkt.“ … „Und das ist mir wichtig: Nur wer Kinder ernst nimmt, nimmt mich ernst.“
Das 4, Kapitel ist mit „Gerüchte und Auseinandersetzungen um die dunklen An­fänge“ überschrieben. Da geht es um die Geburt Jesu, um Maria und Elisabeth, um Jesus in der Pubertät und um seine Taufe. Es sind Legenden, die neu erzählt neue „Lichter“ erhalten. Ja, „Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel. Sie gehen leise, sie können nicht schrein, oft sind sie alt und hässlich und klein, die Engel.“
Wichtig im ganzen Buch ist es, dass hier nicht kindertümlich oder anbiedernd oder kitschig erzählt wird, sondern dass Erwachsene ihre Fragen und die Fragen der Kinder gleich ernst nehmen und die Antworten anbieten, die sich eingraben können in die Herzen des Erzählers ebenso wie in die Herzen der Kinder. Ein Stilmittel ist dabei das „Weitererzählen“ einer alten Tradition in heutige „Frag­lichkeiten“ hinein. Wichtig auch die je neue Perspektive des Erzählers. Einmal erzählt ein Hirte, dann ein unbeteiligter Weggenosse, dann ein Mensch von da­mals und unmittelbar darauf wieder der Pfarrer von heute.
Ich empfehle dieses Buch allen denen, die erzählen lernen wollen, die es mit Kindern zu tun haben und die andere „aufregen“, aber vor allem auch anregen wollen.
Fast hätte ich’s vergessen! Das Buch ist gekonnt illustriert.

Andreas Hämer, Aufregungen um Jesus.. Kritische Entwürfe für Kindergarten und Gemeinde; Blaue Eule, Essen; 1990

Rezension von Prof. Dr. Klaus Wegenast, in: Der Ev. Erzieher 3/1992

Hämer, Andreas,

 

behinderung

Andreas Hämer, Was bedeutet Behinderung? Ein theologischer Beitrag im Horizont der medizisch-naturwissenschaftlichen, sozialwissenschaftlichen und wissenschaftstheoretischen Diskussion; theologische Dissertation 1994; Verlag Blaue Eule, Essen 1994

abstract:
Den Ausgangspunkt der Arbeit bilden kritische Überlegungen zur medizinisch-naturwissenschaftlichen Sicht, derzufolge Behinderung vor allem ein medizinisch diagnostizierbarer Defekt ist. Wertimplikationen der medizinsch-sozialrechtlichen Fasprache, der Rehabilitationsmedizin und der humangenetischen Forschung werden diskutiert – als deren Leitbilder bestimmte Vorstellungen von Gesundheit und Evolution zu hinterfragen sind.
Sozialwissenschaftliche Analysen und Modelle relativieren jedoch die dem medizinischen Begriff von Behinderung weithin zuerkannte Allgemeingültigkeit. Behinderung erscheint als Resultat von Interaktion bzw. als interaktioneller Prozess. Dies wird zunächst mithilfe ausgewählter Aspekte einer Soziologie bzw. einer Psychologie der Behinderung dargestellt, bevor auch hier Leitvorstellungen erörtert werden: Emanzipation, Integration und Identität.
Wissenschaftstheoretische Zwischenüberlegungen erörtern sodann die Frage nach der Objektivierbarkeit des Begriffes auf breiterer Ebene und suchen einen kategorialen Rahmen, der die Dichotomie von naturwissenschaftlicher und sozialwissenschaftlicher Sichtweise zu überwinden vermag. Erwägungen zu einer möglichen Rolle der Theologie in der interdisziplinären Diskussion schließen sich an – wobei der Problematik der Behinderung exemplarische Bedeutung zukommen kann.
Auf diesem Hintergrund wird schließlich die theologische Diskussion geführt. Dabei geht es um die doppelte Frage, was Behinderung für den christlichen Glauben bedeutet und was zentrale Aussagen des Glaubens für die Wirklichkeit von Behinderung bedeuten: Das befreiende Handeln Jesu Christi, wie es sich u.a. in den Heilungsberichten, das vergegenwärtigende Wirken des Geistes und Kirche und Gesellschaft sowie schließlich der Glaube an die gute Schöpfung Gottes, der Gottebenbildlichkeit gleichermaßen von Menschen mit wie ohne Behinderung zu bekennen wagt.

 

 

viele kleine leute

Andreas Hämer, Viele kleine Leute … Kriti­sche Erzählungen und Hörspiele in Unter­richt und Gemeinde (Lebendige Kirche – Kirche im Diskurs Bd. 1). Athena Verlag, Oberhausen 1997

Rezension von Prof. Dr. Klaus Wegenast
Man weiß es eigentlich schon lange, dass Tradition, auch christliche, nur dann „spricht“, wenn sie Bezugspunkte besitzt zum jeweiligen Lebenskontext der Rezipienten. Dies ist der Grund, dass viele Ge­schichten aus Bibel und Kirchenge­schichte stumm bleiben, werden sie nicht neu erzählt, neu bedacht, in neue Bezüge integriert.
Das aber möchte Andreas Hämer im vorliegenden Buch leisten, das sich mit seinen Texten, Erzählungen und Hör­spielen, an Kinder im Vorschulalter, an Konfirmanden, an Kinder im Gottes­dienst und nicht zuletzt an kirchliche Mitarbeiter richtet. Interessant, dass Hä­mer sich nicht als Autor im herkömmli­chen Sinne versteht, sondern zumindest auch als Sprachrohr seiner Gesprächs­partnerinnen unter den Kindergärtne­rinnen, Kindergottesdiensthelferinnen und Mitarbeiterinnen im Rahmen kon­firmierenden Handelns der Kirche. Von ihnen kamen Denkanstöße, Fragen, überraschende Perspektiven, Zwischen­rufe, Kritik und Ermunterung. Das der Grund für die jedem Text beigefügten »Wegbeschreibungen“, die das Werden eines Textes, die entsprechenden Schritte bis zur Endgestalt und die leiten­den Ideen dokumentieren und so dem Le­ser einen Blick ermöglichen in die Sprachwerkstatt. Wie immer, biblische Tradition wird da zur viva vox heute, er­scheint in überraschenden Zusammen­hängen, zuweilen auch als Provokation für heutige Kinder und Erwachsene in ih­rem Kontext.
Und hier die „Rubriken“: „Starke Frauen“ (Mirjam, Deborah, Ruth und Hannah), „Große Männer“ (Saul, David), „Schöpfüngserzählungen“, die nach­denklich machen, weil sie anders sind, als man erwartet, „Strahlen, die die Nacht durchbrachen“ zu Advent und Weihnachten, „Begegnungen mit Jesus“. „Vor und nach Ostern“, und dann Psal­men in bemerkenswerten Verfrem­dungsgestalten zum‘ Nachdenken und Nachsprechen, Spielszenen, die zwi­schen Bibel und kränkendem Alltag changieren. Erzählpredigten und, man staune, Satiren als Provokation und An­stoß zum Aufmerksam-Werden.
Es ist in einer kurzen Besprechung nicht möglich, alles Revue passieren zu lassen, aber doch Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass hier theologisch und didaktisch verantwortet Auslegung ge­schieht, die nicht normativ-deduktiv vom Text zur Erzählung gelangen, sondern im Dialog mit den Menschen heute, die nicht nur hören, sondern fragen und auf­begehren – auch gegen das Herkommen des Bibelgebrauchs in der Arbeit mit Kindern. Nimm und lies!
Prof. Dr. Klaus Wegenast, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie. Der evangelische Erzieher; 9/1998

 

ku-begleiter

Andreas Hämer, Wegbegleiter Konfirmandenunterricht. Mitmachen. Einleben. Aufbrechen; Patmos Düsseldorf, 2006

Klappentext:
Der klassische Konfirmandenunterricht steht vor immer größeren Problemen. Den Jugendlichen, die über zwei Jahre zum wöchentlichen Unterricht erscheinen sollen, fehlen häufig religiöse Sozialisation und Anbindung an die Gemeinde. Zudem sind sie gerade in der Zeit der Pubertät vor den Pfarrerinnen und Pfarrern nicht immer leicht für das Thema Kirche zu gewinnen,
Der Völklinger Pfarrer Andreas Hämer begegnet dieser Situation mit einem überzeugenden neuen Konzept. das er selbst seit Jahren erfolgreich durchführt; Unter dem Motto „Mitmachen“ beginnt der Unterricht mit 8/9-jahrigen Kindern. Er wird nach einem Jahr Pause mit 10/11-jährigen zum Thema „Erleben“ fortgeführt, um schließlich seinen Abschluss mit 12/13-jährigen zu finden, die zum „Aufbrechen“ motiviert werden.
Das Buch stellt dieses Konzept nicht nur vor, es bietet neben metho­dischen und didaktischen Grundlagen vor allem eine umfangreiche Malerialsammlung zu jeder einzelnen Unterrichtseinheit. So ist das Modell in jeder Gemeinde einfach umzusetzen.

 

jpg.ketz

Andreas Hämer, Kleine Ketzereien – große Horizonte. Ansätze einer befreiungstheologisch orientierten Praxis. 1. Auflage, Belm-Vehrte: Sozio Publishing, 2011

Rezension von Dr. Achim Schmitz, Stuttgart:
Traurig erscheint mir, dass kritisches Hinterfragen von „Wahrheiten“ im real existierenden Christentum zur Ermordung oder zumindest Verfolgung sogenannter „Ketzer“ führte. Auch wenn es heute keine „Ketzerprozesse“ mehr gibt, so ist offensichtlich die Bezeichnung „ketzerisch“ für das Hinterfragen von Grundannahmen wie z.B. von der Bibel als heiliger Schrift, von Israel als auserwähltem „Volk Gottes“ oder von der Kirche als von Jesus gegründet notwendig. In diesem 1. Teil postuliert Andreas Hämer eine Theologie im Sinne der Selbstreflexion im Erbe der Aufklärung. Im 2. Teil (Konfliktfelder) ist eine kritische Reflexion von kirchlichen Hierarchien und Machtkämpfen zu finden. Selbst im Kreis der Jünger Jesu scheint es diese Machtkämpfe gegeben zu haben. Als Reaktion darauf wird Jesus im Sinne seiner Vision von Feindesliebe, Solidarität und Geschwisterlichkeit herrschaftskritisch zitiert: „Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an.“ Im 3. Teil (Horizonte) skizziert der Autor als Kontrapunkt zu gängigen „christlichen“ Vertröstungsideologien neben elementaren Jenseits-Erfahrungen einige Diesseits-Utopien im Sinne des konziliaren Prozesses (Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung). Darauf folgt die Vorstellung konkreter zivilgesellschaftlicher Initiativen wie z.B. Kirchenasyl, Kampagne Erlassjahr 2000, den Stromanbieterwechsel hin zu ökologisch verträglicher Stromerzeugung und gewaltfreie Aktionen gegen Rassismus. So ist das Buch ein befreiungstheologisches Werk mit Praxisrelevanz. Es unterscheidet sich wohltuend von heute mancher weit verbreiteter „Spiritualität“ oder Esoterik mit Vernachlässigung bzw. Entpolitisierung sozialer Bezüge. Andererseits bietet es die Möglichkeit der Verwirklichung spirituell gestützten sozialen und ökologischen Engagements ohne Anpassung an kirchliche Autoritäten.
(Rezension in: Versöhnung (Rundbrief des Internationalen Versöhnungsbundes / Deutscher Zweig) 3/2014, S.24).

 

 es perlen

Andreas Hämer, Es perlen die Tage (Gedichte, mit Grafiken von Dietmar Fiessel)
Sozio-Publishing 2013; 12,80 €

Rezension von Wilfried Hartmann (bisher unveröffentlicht)
Eine herzliche Gratulation zu diesem Gedichtbändchen – sehr gelungen! Eine sehr unkonventionelle Mischung aus kirchenkritischen / praktischen Gedichten und berührender Poesie, die sehr viel Lebendigkeit atmet, Unsagbares antupft und in die Weite menschlichen Erlebens eintaucht.
In vielem atmet Leben und Ehrlichkeit.
„Selbstsuche“ – ein sehr mutiger Text; ebenso „Gegenwind“
„Rotkehlchen“ – in der Kürze liegt die Würze, ein sehr stimmiges Bild; ebenso „Seltene Gelegenheit“, „Verborgene Sehnsucht“ und “Was ist der Mensch?“ – „wenn niemand uns sagt, du bist mir wichtig …“!
„Lob der Leere“ – wen treibt das Thema nicht um, und wer kennt nicht „das gierige Vakuum, den unersättlichen Sog“? so können wir hinsehen!
„Tauben“ – Witz und Ironie im besten Sinne, wie bei Wilhelm Busch. Davon könnte es ein paar mehr geben.
„aber wozu?“ – sehr herausfordernd …, und schließlich „Geheimnis“ und „Freunde“ – sehr nachdenklich! …
„Es perlen die Tage“ gehört zu meinen Favoriten. Dass es auf dem Buchdeckel die Reise eröffnet und am Ende beschließt, ist schlichtweg ein gelungener Wurf. Auch die Grafiken sind genial ausgewählt.

wasser

Andreas Hämer, Wie aus Wasser Wein wird. Geschichten zum Mitgehen;
Sozio-Publishing 2014, 29,80 €

Rezension

„Wo Menschen bereit sind, deinen Spuren zu folgen“, so schreibt der Autor in seinem Brief an Jeshua, den älteren Freund und Bruder (anstelle eines Vorwortes), „auch auf die Gefahr von Konflikten hin, da will ich gern weiter dabei sein. Für ein bisschen Ethik oder Moral brauchen wir dich nicht. Aber deine Visionen und deinen Mut, diese Visionen zu leben, bleiben unersetzlich.“ Damit werden gleich zu Beginn einige im Christentum verbreitete Glaubenssätze und Legenden in Frage gestellt, die z.B. aus Jesus eine Art Übermensch machen. Andreas Hämer geht es darum, Jesus (Jeshua) als Mensch, Bruder und Freund zu verstehen.
Eine Fülle von Geschichten aus der hebräischen Bibel und aus den Evangelien werden sozusagen dialogisch gegen den Strich gebürstet – aus der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und für diese Arbeit. Die Dialoge bzw. Erzählungen werden mit Informationen zur sozialgeschichtlichen Situation eingeleitet. Der Autor setzt immer wieder fiktive ErzählerInnen ein, die aus der jeweiligen sozialgeschichtlichen Situation des Textes zu sprechen scheinen, in die aber zugleich die aktuellen heutigen Situationen hineinspielen. „Die Spannung zwischen sozialgeschichtlicher Situation damals und heute soll gleichwohl bewusst gehalten werden.“ (S. 417).
Die Auseinandersetzung mit biblischen Traditionen wird mit heutigen Fragen nach Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung verknüpft. Mit der Befreiung Israels aus Ägypten wird eine auch heute noch aktuelle Vision thematisiert. „Befreiungstheologisch gesagt geht es um eine Option für die Armen.“ (S. 418) Eine Anleitung zum Verständnis des gesamten Ansatzes und des methodischen Vorgehens gibt der Autor in den Nachbemerkungen.
Der Stil im Buch ist lebensnah, kann dadurch vom Sprachstil her auch manchmal zum Schmunzeln anregen und erscheint mir wohltuend ohne salbungsvolles Pathos, wie es in religiösen Texten sonst oft vorkommt. Pfarrerinnen udn Relgionspädagogen zu empfehlen – und darüber hinaus allen, die mit Gott und der Welt noch nicht fertig sind.

(Dr. Achim Schmitz in: Versöhnung 3/2015; Rundbrief des Internationalen Versöhnungsbundes / Deutscher Zweig)

 

 

Klappentext:
Jesus soll mit fünf Broten und zwei Fischen 5000 Menschen satt gemacht und Wasser in Wein verwandelt haben …
Bei vielen Menschen geistern solche Bilder noch von früher im Kopf herum, aber im Sinne von Tatsachenberichten wird das Verständnis nur verfehlt. Das Buch lädt ein, in die Zeit vor 2000-3000 Jahren einzutauchen, sich die sozialgeschichtlichen Bedingungen vor Augen zu führen – und wiederaufzutauchen, um entsprechende „Wunder“ in der heutigen Welt zu erfahren. Angeregt durch Experimente im Konfirmandenunterricht entsteht so eine moderne und sozialkritische Darstellung bekannter biblischer Geschichten. Niemand muss Unmögliches glauben. Die Dialogform der hier gesammelten Geschichten bietet den LeserInnen vielfältige Möglichkeiten an, die eigene Rolle zu finden und die Auswirkungen auf das eigene Leben und die eigene Praxis durchzuspielen.
Empfehlenswert für Menschen, die im religionspädagogischen Bereich arbeiten (Pfarrerinnen oder Religionspädagogen; Gemeindepädagogen, Freizeitleiterinnen, Konfi- und Kindergottesdiensthelfer, Prädikanten usw.). Darüber hinaus für alle, die sich mit altbekannten biblischen Geschichten in neuer Perspektive auseinandersetzen möchten und auch in der heutigen Welt Visionen entwickeln möchten.
Eine gelungene Synthese aus Vernunft und Praxis – und Glauben an eine veränderbare Welt. Genießbar auch bei einem Gläschen Wein bzw. Wasser.

Leseprobe (1)

Statt Vorwort
Ein Brief an Jeshua, den älteren Freund und Bruder
Großrosseln, im März 2014

Shalom, Bruder Jeshua!
Du bist – das weiß ich auch! – längst tot; bestialisch am Kreuz zu Tode gefoltert, damit du auf ewig deinen Mund hältst. Aber diesen Gefallen hast du zu deinen Lebzeiten niemandem getan, auch nicht posthum (deinen Peinigern und Grabeswächtern) und so bist du durchaus nicht tot, sondern lebst auf verborgene Weise unter uns. Darum rechne ich auch immer wieder mit dir. Nicht mit deiner Wieder­kunft auf den Wolken des Himmels, das will ich schon deutlich sagen. Aber wenn ich zu dir bete (und das mache ich immer noch, obwohl du ‚tot’ bist), z. B.: Komm, Bruder Jesus, sei unser Gast …! – dann kommt es ja doch gelegentlich vor, dass du mich noch mitten im Wort unterbrichst und an der Haustür klingelst – und da stehst du dann leibhaftig in irgendeiner Jammergestalt vor mir, riechst nach Alko­hol, flunkerst mir das Blaue vom Himmel herunter und wartest auf Zuwendung. Und so bist du tat­sächlich mal wieder bei mir zu Besuch und schämst dich dieses Auftritts nicht.
Ich habe seit über dreißig Jahren von dir erzählt, meist berufsbedingt. Meine Anregungen dazu habe ich aus der sog. Bibel genommen, aus diesem ‚Buch der Bücher’, dessen griechischer Teil voll von Legenden über dich ist. Diese Legenden, meine ich, haben aus dir eine Art Übermensch gemacht, aber sie haben dir doch – Gott sei Dank! – einen Rest Menschlichkeit belassen. Von deiner Menschlichkeit wollte ich anderen erzählen.
Ich hoffe, ich habe dir nicht unrecht getan, dich nicht total verzeichnet. Das ist ja so oft geschehen, und ich habe nicht die Absicht, auch noch eins draufzusetzen. Im Gegenteil, ich habe versucht, dich als Mensch, als Bruder zu verstehen. Mit Sicherheit ist es alles ganz anders gewesen, als ich erzähle. Wahrscheinlich so, wie niemand von uns es sich vorstellen kann. Aber das Wichtigste in allem, was ich erzählt und aufgeschrieben habe, ist für mich, dass du Bruder warst und Bruder bleiben willst – oder Freund, wie es in Joh. 15 heißt. Eben nicht ‚Herr’, nicht hoch über uns, sondern mitten drin; ganz unten, wo deine ‚geringsten Schwestern und Brüder‘ sind. Vielleicht bin auch ich immer wieder dabei, dich rosarot zu färben und zu idealisieren. Da erzähle ich z. B. von deiner Begegnung mit Straßenkin­dern, und dann ärgere ich mich schon wieder über die verwahrlosten Kinder, die bei uns im Gelände herumlaufen, die wer weiß, wie rotzig sind und keine Grenzen respektieren … Oder ich rede von dei­ner Zuwendung zu den Armen – und habe selbst doch gewisse Schwierigkeiten, die real-existierenden Armen, so wie sie sind, wirklich im Tiefsten anzunehmen und ihre Lebensweise und ihre Verhaltens­weisen zu respektieren. Du weißt, damit bin ich noch nicht fertig.
Oder was auch mit Idealisieren zu tun hat: Dass du ohne Sünde warst, wie die Dogmatik seit frühester Zeit wissen wollte, dass du immer alles richtig gemacht und immer auf alles die richtige Antwort ge­habt hast – ob das wohl stimmt? Ob dir niemals der Gaul durchgegangen ist, und ob du niemals ein unbedachtes Wort von dir gegeben hast, das dir später leidtat? – Aber dann tröste ich mich damit, dass du ja auch völlig unbekümmert mit der alten Tradition umgegangen bist. Da erzählst du z. B. vom ‚großen’ König David, der vielleicht gar nicht so groß war (jedenfalls nicht groß in deinem Sinn!) und erinnerst an sein Räuberstück mit den Schaubroten (Mk. 2,25f. bzw. 1. Sam. 21,2ff) – und das Beste daran finde ich einfach, dass du deutlich gemacht hast: Was dieser David durfte, das dürfen wir auch, wenn es um das Teilen des Brotes und das Durchbrechen von Tabus geht … In demselben Sinn habe ich es mir herausgenommen, viele Geschichten der hebräischen Tradition gegen den Strich zu bürsten.
Und auch viele Geschichten, die man über dich erzählt hat. Ich hoffe, es ist ein bisschen nach deinem Geschmack. Viele meinen wohl, dass wir die gesamte jüdisch-christliche Tradition heute im Grunde nicht mehr brauchen. Sie wollen keine Autorität über sich akzeptieren, die uns Moral oder Anstand lehrt, weder leibhaftig noch papieren, und sie verdächtigen auch dich als Moralapostel. Ja, unzählige
Male bist du als Autorität missbraucht worden, um fremde Zwecke zu legitimieren oder zu verschlei­ern. Gerade die großen Kirchen, die sich pro forma auf dich berufen und dabei wie der Großinquisitor Dostojewskis mit dir umgehen, dich ständig für ihre Vorhaben zurechtbiegen und an deiner Lehre her­umverbessern …
Von einer solchen Institution habe ich vor fünf Jahren offiziell Abschied genommen, teils zornig, teils weinend. Ich bin in den Ruhestand gegangen. Wo Menschen aber bereit sind, deinen Spuren zu folgen, auch auf die Gefahr von Konflikten hin, da will ich gern weiter dabei sein. Auch wenn sie sich viel­leicht längst nicht mehr Christen nennen. Für ein bisschen Ethik oder Moral brauchen wir dich nicht. Aber deine Visionen und deinen Mut, diese Visionen zu leben, bleiben unersetzlich.
Deine Visionen vom nahen Reich Gottes, von einem geschwisterliches Miteinander, von einem ge­waltfreies Handeln und von der steten Chance eines neuen Anfangs wie auch die Visionen der jüdi­schen Tradition, aus denen du kamst: von einer Schöpfung, die gut ist; von den Befreiungsgeschichten,
die heute stattfinden können, oder von den kleinen Leuten, die sich nicht scheuen, den Großen in offe­ner Kritik entgegenzutreten. Davon möchte ich in den folgenden Texten erzählen.
Sollten dir dabei grundsätzliche oder methodische Fragen kommen – ich gehe ja nicht davon aus, dass du ein Alleswisser bist! – dann guck einfach mal in die Nachbemerkungen am Schluss dieses Buches. Da habe ich ein bisschen zu erklären versucht, was ich mache.
Also, Jeshua, alter Freund und Bruder – immer wieder auf ein Neues!
Immer wieder auf ein neues … – Wunder!
Dein Jünger Andreas

Lesprobe(2)

Wie Wasser zu Wein wird

Personen:

Jochanan als Erzähler
Jesus
drei Menschen aus Nazareth
Maria; Diener

Magdala, 29 nach Christus. – Schon wenige Jahre nach seinem Tod scheint Jesus gewaltig vom Erdboden abzuheben. Eine Fülle von Gerüchten und Legenden machen ihn zum Alleskönner. Auf diese Weise entstehen viele Wundererzählungen. Aber was heißt ‚Wunder’? Dass man sich wundert, mehr nicht! Man kann dabei durchaus auf dem Teppich bleiben und trotzdem Visionen von noch größeren ‚Wundern’ entwickeln, die Jesus seinen Leuten ausdrücklich zutraut (Joh.14,12) – wird wirklich überall nur mit Wasser gekocht?

Jochanan: Seit einiger Zeit ist Jesus mit seinen FreundInnen unterwegs. Seine Eltern wissen meist nicht, wo er ist. Wenn mal jemand nach ihm fragt, können sie nur sagen:
Maria: Tut uns leid, aber wir wissen es selber nicht!
Jochanan: Bald fragt niemand mehr. Denn die Leute erzählen sich untereinander die seltsamsten Gerüchte:
einer aus Nazareth: Stell dir mal vor, der Jesus soll neuerdings als Wanderprediger durch die Dörfer ziehen!
anderer aus Nazareth: Ja, weiß ich – und der soll auch schon einen kleinen Kreis von Schülern um sich herum haben – soweit ich gehört habe, vor allem Arbeitslose und Landstreicher!
dritter aus Nazareth: Und Kranke, die er gesund gemacht hat. Der soll hier und da sogar Wunder tun!
einer aus Nazareth: Ja genau, hab ich auch gehört! Da muss es in Kafarnaum eine Auseinandersetzung gegeben haben, sie wollten ihn umbringen – und er hat sich vor ihren Augen in Luft aufgelöst!!!
Jochanan: An den Gerüchten ist immer ein bisschen dran, aber dieses Bisschen wird oft unsinnig aufgebauscht. – Einmal ist Jesus zu einer Hochzeit eingeladen – in einem Ort namens Kana. Einer seiner Jugendfreunde heiratet dort. Zufällig ist er Jesus auf dem Weg begegnet, hat ihn sofort eingeladen – und selbstverständlich alle FreundInnen dazu. Je mehr, desto besser! Jesus kommt. Und wen trifft er da, ganz unverhofft? Seine Eltern. Sie freuen sich natürlich, ihn wiederzusehen; aber richtig Zeit haben sie kaum füreinander. Dafür gibt es viel zu viele andere Leute dort. Es wird gegessen und getrunken, gesungen und getanzt, geredet und gespielt. Die Stimmung ist ausgezeichnet. Da passiert etwas, was auf keinen Fall passieren dürfte … – etwas ganz Unmögliches. Der Wein ist ausgegangen. Das ist furchtbar peinlich für die gastgebenden Eltern der jungen Frau. Mutter Maria kriegt das mit, und die Gastgeber tun ihr leid.
Maria: Oh, da will ich doch mal meinen Sohn fragen, ob der vielleicht Rat weiß. In letzter Zeit hört man ja so großartige Sachen von ihm. Vielleicht kann der helfen! Den frag ich.
Jochanan: Sie guckt sich überall um in der Hochzeitsgesellschaft, schließlich sieht sie ihn. Er ist voll in Aktion, ist mitten beim Tanz. Sie wühlt sich zu ihm durch, schleicht sich von hinten an ihn heran und zischt:
Maria: Du, Jesus! Kannst du vielleicht mal helfen?
Jesus: Was ist denn los?
Maria: Ach, Jesus, stell dir nur vor, der Wein ist alle! Ich find das so peinlich, der Gastgeber schämt sich furchtbar, kannst du vielleicht …!
Jochanan: Jesus fährt sie an:
Jesus: Gar nichts kann ich! Was soll das bloß? Glaubst du, ich könnte zaubern? Kannst du mich nicht mal in Ruhe tanzen lassen?
Jochanan: Maria ist sehr verlegen. Sie denkt:
Maria: So etwas sagt der zu mir, wenn andere Leute dabei sind!
Jochanan: In Gegenwart der Bediensteten hat er das gesagt! Und die Bediensteten schauen ihn an wie ein Weltwunder und scheinen die allergrößten Dinge von ihm zu erwarten. Maria sieht sich um. Dann sagt sie zu den Bediensteten:
Maria: Macht, was er sagt!
Jochanan: Damit verschwindet sie. Inzwischen hat Jesus sich wieder ein bisschen gefangen. Er sieht mit dem Augenwinkel sechs große Tonkrüge am Hauseingang stehen. Da ist normalerweise Wasser zum Fußwaschen drin; denn viele Gäste kommen von weither, und das Fußwaschen ist immer die erste Erfrischung, die ein Gastgeber seinen Gästen anbieten lässt. Also, Jesus sieht die Tonkrüge, und das bringt ihn auf die richtige Idee.
Jesus: Macht die Tonkrüge voll Wasser!
Jochanan: Die Bediensteten finden das zwar komisch, aber sie tun es und kommen mit den Tonkrügen voll Wasser zu ihm hin.
Diener: Und jetzt?
Jesus: Na, bringt’s in die Küche!
Jochanan: Mehr sagt er nicht; er tanzt weiter. Sie schleppen die Krüge in die Küche. Und was dann in der Küche abgegangen ist? Ich nehme an, der Küchenchef weiß, was das für Krüge sind! Er guckt sie groß an und schüttelt nur mit dem Kopf. Aber weil die Leute alle Durst haben, vom Essen und vom Tanzen und überhaupt – er lässt das Wasser ausschenken. Viele haben das toll gefunden, für sie war das Wasser der beste Wein, den sie jemals getrunken haben. Aber einige sind wohl auch verärgert nach Hause gegangen und haben tüchtig geschimpft.
einer aus Nazareth: Ist doch wohl unglaublich. Wird man da zur Hochzeit eingeladen, und dann gibt’s Wasser statt Wein!
Jochanan: Die anderen haben sich die Freude nicht kaputt machen lassen. Jesus und seine FreundInnen zum Beispiel. Sie werden oft mal eingeladen, hier oder da – und längst nicht immer bei Leuten, die sich große Feste mit viel Wein und Fleisch und feinem Kuchen leisten können. Da gibt’s einfaches Brot, Gemüse und Obst, vielleicht getrockneten Fisch – und Wasser. Und niemand von ihnen fragt etwa: „Ja, wo ist denn der Wein?“ Bei solchen Festen haben sie immer wieder gern die Geschichte von der Hochzeit in Kana erzählt.
dritter aus Nazareth: Und da hat’s zum Schluss einen großartigen Wein gegeben, so etwas gibt’s sonst nirgends!
Jochanan: Sie wissen alle, was gemeint ist und haben fröhlich gelacht. Denn sie glauben: Wenn Gottes Zukunft beginnt, dann wird geteilt; dann gibt es den Unterschied zwischen Reichen und Armen nicht mehr. Dann gibt es genug zu essen und zu trinken für alle Menschen. Und dann ist auch ganz bestimmt Wein für alle Menschen da – nicht nur für die Reichen.

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